Indien ist bekannt für viel Spiritualität. Der Subkontinent bietet zahlreiche Tempel und Religionsstätten sowie kostbares Wissen über Traditionen wie Yoga und Meditation. Eine aus Indien stammende Methode, die in den letzten Jahrzehnten international sehr beliebt geworden ist, ist die Vipassana Meditation. Im folgenden Artikel erklärt euch Barbara, die im Februar 2018 an einem Kurs teilgenommen hat, was Vipassana ist und was ihr erwarten könnt.

Am Anfang ist das Wichtigste der eigene Atem

Was ist Vipassana Meditation?

Der Begriff „Vipassana“ kommt aus dem Buddhistischen und bedeutet übersetzt so viel wie „Einsicht“ oder „die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind“. Es handelt sich hierbei um eine uralte Meditationsform Indiens – eine Art „Achtsamkeitsmeditation“.

Heutzutage gibt es weltweit verschiedene Organisationen, die Vipassana Meditation Kurse anbieten. Ich entschied mich im Februar 2018 für die Teilnahme an einem 10-Tage-Kurs in einer Einrichtung der Organisation Dhamma in Pune (ca. 150 km südöstlich von Mumbai). Dieses Meditationszentrum richtet sich nach der Vipassana Lehre des burmesischen Organisationsgründers S.N. Goenka.

vipassana Meditation Für Meditationen eignen sich solche ruhigen Orte in der Natur am besten, wie im Dhamma Meditationszentrum in Pune (Credit: Boyko Blagoev – Flickr)

Ablauf des 10-Tageskurs:

Während der 10 Tage halten sich alle an die Regel des „edlen Schweigens“. Es darf nicht mit den anderen Teilnehmern kommuniziert werden, egal in welcher Form: kein Sprechen, keine Gesten, kein Blickkontakt oder Lächeln, keine Berührung.

Es gibt festgelegte Sprechzeiten, in denen man den Lehrern auf Vipassana Meditation bezogene Fragen stellen oder Schwierigkeiten besprechen kann.

Auch die freiwilligen Helfer, die für Essen, pünktliches Aufstehen und etc. sorgen, kann man bei Fragen zu Unterkunft und Ablauf ansprechen.

Der vorgegebene Tagesablauf beginnt um 4 Uhr morgens und endet um 21:30 Uhr abends. Alle Zeiten für Mediation und Pausen sind so genau festgelegt. Es gibt 3 Gruppenmediationen pro Tag, an denen alle Teilnehmer in der Halle gemeinsam meditieren.

Tag 1-3: Konzentriere dich auf deinen Atem

An den ersten drei Tagen meditierst du, in dem du nur deinen Atem wahrnimmst und beobachtest. Es geht darum, die Konzentration zu schärfen und nicht mit den Gedanken dabei abzuschweifen.

Tag 4-9: Vipassana Meditation

Erst am vierten Tag geht es mit der eigentlichen Technik der Vipassana Meditation los.

Stück für Stück wanderst du mit deinem Bewusstsein und deiner Wahrnehmung über deinen Körper von oben bis unten und wieder zurück. Dadurch werden die Sinne geschärft und äußerliche (wie auch innere) Empfindungen werden intensiver wahrgenommen. Diese Empfindungen können sein: Kitzeln, Kälte, Wärme, Jucken, Schmerz…

Ziel dabei ist es, die Empfindungen zu beobachten ohne sie zu bewerten, sie dann „loszulassen“ und mit dem Geist weiter zu wandern. Du solltest dabei keine emotionale Anhaftung oder Ablehnung bei den angenehmen oder unangenehmen Empfindungen entwickeln, sondern allem mit „Gleichmut“ begegnen.

Tag 10: Abschlussmeditation

Am letzten Tag wird das edle Schweigen aufgelöst. Es finden zwar noch ein paar Gruppenmeditationen statt, aber die Atmosphäre ist aufgelockert. Jeder erhält seine privaten Gegenstände zurück und so kann auf einmal auch das ein oder andere Handy während der Mediation klingeln. 

Ashram Indien Bei Vipassana geht es um das Finden von Gelassenheit und Bewusstsein

Mein persönliches Fazit

Würde ich es noch einmal machen?

Ja – definitiv. Der Effekt war stark: ich habe mich als viel „bewusster“ und „konzentrierter“ empfunden. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Egal, was ich tue – ich bin bei der Sache, in dem Moment.

Meine 4 größten Herausforderungen:

  1. Das frühe Aufstehen
  2. Das lange Sitzen
  3. Nicht einzuschlafen während der Meditation
  4. Kein Blickkontakt – kein Lächeln

Zu Beginn wurde ich geplagt von Rückenschmerzen durch das lange Sitzen. Außerdem spürte ich viel Frust, weil ich es nicht schaffte, meinen Geist still zu halten und nicht abzuschweifen.

Manchmal erlebte ich eine „gute“ Meditation und fühlte mich zuversichtlich, den nächsten Tag wiederum dachte ich: „Wozu das Ganze? Was tust du dir hier eigentlich an?“

Erst am 8. Tag wurde auf einmal alles anders. Mit einem Mal, schaffte ich es während der Meditation, wach und achtsam zu sein, die Empfindungen meines Körpers besser wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten.

Das Gefühl, das ich in diesem Moment erreichte war das Gefühl vollkommener Zufriedenheit und Ruhe: Ich spürte die Fähigkeit, den Dingen und Empfindungen mit Gleichmut zu begegnen und zu wissen, dass alles vergänglich ist: Das Schöne wie auch das Schlechte.

Ich war plötzlich wacher und erholter und spürte die Verspannungen und Rückenschmerzen nicht mehr.

Die letzten zwei Nächte habe ich z.B. wahrgenommen, als ob ich wach auf meinem Bett gelegen und meditiert hätte. Und trotzdem fühlte ich mich am nächsten Morgen so ausgeschlafen wie nie zuvor.

Am letzten Tag erzählten einige Teilnehmerinnen, dass sie sogar Halluzinationen während der Mediation hatten und teilweise kurz davor waren, abzubrechen.

Dieses Erlebnis habe ich nicht teilen können, aber das brauche ich auch nicht. Die Erfahrung der sensiblen Wahrnehmung und des inneren „Wohlbefindens“ – zu begreifen, wie viel davon nur durch unseren Geist gesteuert wird, hat mir viel beigebracht und wird mir sicher noch in der ein oder anderen Situation in meinem Leben weiter helfen.

Wie lange hält der Zustand der sensiblen Wahrnehmung an?

Vipassana ist ein Tool. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man nach 10 Tagen ein anderer Mensch ist. Ich meditiere seit dem jeden Tag. Trotz allem holt einen der Alltag immer wieder schnell ein, alte Gewohnheiten, Zweifel und negative Gefühle treten immer noch auf. Aber es hilft, sich bewusst zu machen, einen Moment inne zu halten und diesem mit mehr Gelassenheit zu begegnen.

Varanasi mediation Auch wenn eure Meditation beim Vipassana nicht soo aussehen wird, sitzt ihr doch meist im Schneidersitz während ihr meditiert

Wichtig zu wissen für Teilnehmer:

  • Du solltest psychisch stabil sein, denn es ist verdammt hart, so viel Zeit „mit sich“ ohne jegliche Ablenkung zu verbringen!
  • Du musst alle Unterhaltungs- und Kommunikationsmittel für die Zeit entbehren: Handy, Bücher, Schreibmaterialien
  • Es gibt 5 feste Regeln, an die sich alle Teilnehmer halten müssen:
  1. Kein Lebewesen töten (gilt auch für Moskitos)
  2. Nicht stehlen
  3. Keine sexuellen Aktivitäten
  4. Nicht lügen
  5. Keine Rauschmittel (einschließlich Tabak und Alkohol)

Zusätzlich gibt es für bereits erfahrene Schüler folgende Regeln:

  1. Keine Nahrung nach 12 Uhr mittags zu sich nehmen
  2. Auf Körperschmuck verzichten
  3. Nicht in übertrieben weichen oder luxuriösen Betten schlafen.

Kosten

Die Teilnahme an einem Vipassana Meditation Kurs ist spendenbasiert. Das heißt, am Ende zahlt jeder so viel, wie sie oder er kann/ möchte und was es einem wert gewesen ist.

Ich fragte vorher indische Freunde, was ihrer Meinung nach angebracht wäre zu zahlen und mir wurde ein Betrag von ca. 100-150€ empfohlen. Wenn du aber aufgrund einer finanziellen Notlage oder falls du besser gestellt bist, weniger oder mehr geben möchtest, ist das auch ok.

Meditation Indien Für Barbara war die Erfahrung sehr lehrreich. Überlegt euch allerdings gut, ob ihr für eine Vipassana Meditation für 10 ganze Tage bereit seid (Credit: David Baxendale – Flickr)

 

Einige spirituelle Reiseziele und –Ideen für Indien könnt ihr auch in diesem Blogbeitrag über das Yoga-Paradies Rishikesh oder hier über eine spirituell ausgerichtete Reiseroute durch Nordindien finden.

Ihr wollt mehr erfahren, wo und wie ihr an einem Vipassana Mediation Kurs teilnehmen könnt oder wie ihr eine spirituelle Erfahrung mit eurer Indienreise verbinden könnt? Dann schreibt uns – wir helfen euch bei der Reiseplanung und liefern euch weitere Ideen!

Harsh Sonawala

About Harsh Sonawala

Harsh Sonawala ist der Mitbegründer von India Someday und reist seit seiner Kindheit in Indien und dem Rest der Welt herum. Zu reisen und seine Erfahrungen mit anderen zu teilen waren die Beweggründe für die Gründung von India Someday. Wenn man Harsh nicht in seinem Büro findet, wo er an neuen Marketingkampagnen herumtüftelt, dann ist er in den Andamanen am Tauchen oder in einem Chalet im Himalaya am Entspannen.

Wir bei India Someday lieben es Menschen für das Reiseland Indien zu begeistern. Unser Deutsch-Indisches Team hat den Subkontinent bereits mehrmals von Norden nach Süden und Westen nach Osten bereist und teilt mit Leidenschaft Tips und Erfahrungen. Wir helfen bei der Auswahl der Reiseziele, Route und Reisezeit und können somit hoffentlich auch euren Traum von ‘India Someday’ zur Wirklichkeit machen. Viel Spaß beim Stöbern!

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2 responses to “10 Tage Schweigen – Vipassana Meditation in Indien
  1. Ich bin 60 Jahre alt, psychisch stabil, habe aber Gelenkschmerzen zor allem in den Knien und kann nicht lange sitzen.
    Gibt es auch Vipassana wo man nicht im Schneidersitz sitzen muss?

    1. Liebe Yvonne, entschuldige die späte Antwort. Klar, das geht. Vipassana wird zwar klassisch im Schneidersitz praktiziert aber die Zentren bieten als Alternative immmer einen Stuhl an, auf welchen man sich setzen kann. Als weitere Alternative wäre noch der Schneidersitz mit dem Rücken zur Wand.
      Grüsse, dein India Someday Team